Schmerzen nach dem Fahrradfahren oder währenddessen sind ein Thema, das viele kennen und über das doch nur selten gesprochen wird. Wer gibt schon gerne zu, dass man am Allerwertesten aufgescheuert ist, von Stunden im Sattel Hautirritationen bekommt oder Taubheitsgefühle entstehen? Dabei muss nicht der Sattel schuld sein: 7 Tipps, die Schmerzen im Sattel den Kampf ansagen.
Archiv: Die ursprüngliche Version dieses Artikels wurde am 18. Januar 2022 auf MTB-News.de veröffentlicht.
Po-Schmerzen beim Radfahren – welche Unterschiede gibt es?
Grundsätzlich unterscheiden Radfahrer*innen bei Problemen am Allerwertesten zwischen Schmerzen und Taubheitsgefühlen. Während sich Schmerzen wie Abschürfungen oder Hautirritationen am Sattel oft einfach beheben lassen, solltest du bei Taubheitsgefühlen unbedingt professionelle Hilfe aufsuchen.
Besonders zu Beginn der neuen Saison klagen viele Radfahrer*innen über Sattelschmerzen. Nach einer längeren Pause entstehen diese oft durch ungewohnte Belastung. Hohe Druckbelastung auf kleiner Fläche irritiert die Haut, manchmal auch die Sitzknochen. Das Gute ist: Der Körper passt sich recht schnell wieder an und gewöhnt sich an langes Sitzen im Sattel. Nach ein paar Ausfahrten sollten die Beschwerden in der Regel weniger werden. Wenn dem nicht so ist, gibt es möglicherweise einen anderen Grund für die Po-Schmerzen.
Schmerzen beim Mountainbike-Sattel
Grundsätzlich hört man von Mountainbike-Fahrer*innen seltener von Po-Schmerzen im Fahrrad-Sattel. Das liegt nicht daran, dass sie besonders hart im Nehmen sind. Vielmehr verlangt das Fahren im Gelände ohnehin aktive Kontrolle mit mehr Bewegung: sprich mehr Wechsel zwischen Aufstehen und Hinsetzen, die Position auf dem Sattel nach vorne oder hinten verlagern und Ähnliches. Und das ist bereits eine gute Hilfe gegen Schmerzen im Sattel. Die gute Nachricht ist deshalb: Wenn es dennoch zu Schmerzen kommt, können eine aktive Fahrtechnik und bewusste Positionswechsel bereits viel bewirken und verbessern gleichzeitig die Fahrkünste. Ansonsten gelten die gleichen Tipps gegen Sattelschmerzen wie für andere Fahrradfahrer*innen.
Welche Sättel besonders gut funktionieren, könnt ihr hier lesen: MTB Sattel Test
Schmerzen beim Rennrad-Sattel
Rennrad-Fahrer*innen klagen dagegen häufig über Schmerzen im Sattel. Dafür gibt es gleich mehrere triftige Gründe: die Fahrtdauer und die Sitzhaltung. Auf dem Rennrad sind die Touren typischerweise länger, viele Sportler*innen nutzen es gezielt zum Grundlagen-Ausdauertraining. Mit fortschreitender Fahrtdauer ermüden die Muskeln, die den Körper tragen. In der Folge steigt der Druck im Sattel, was Po-Schmerzen beim Radfahren begünstigt. Außerdem verharrt man auf dem Rennrad gerne immer in der Sitzhaltung. Auch das befördert unangenehme Sattelschmerzen – womit wir auch schon mitten in den Tipps gegen Sattelschmerzen wären.
Woher kommen Schmerzen im Fahrradsattel generell?
Grund 1: zu wenig Abwechslung
Es klingt einfach, wird aber im Training oder im Eifer des Rennens häufig vergessen: Die Haltung oft zu wechseln, hilft effektiv gegen Po-Schmerzen auf dem Fahrrad. Das Gewebe wird entlastet, Luft kann wieder an die Haut kommen. Tipp: wie beim Trinken einfach in bestimmten Zeitabständen ein paar Minuten Radfahren im Wiegetritt einbauen. Das entlastet übrigens auch andere Muskeln.
Grund 2: der falsche Sattel
Dein Sattel muss perfekt zu deinem Körper passen – andernfalls bekommst du schon nach kurzer Zeit Probleme. Ist der Sattel zu weich, sinkt man zu tief ein und es entstehen unangenehme Druckgefühle im Sitzbereich. Für sportives Biken ist also ein harter Sattel einem weichen vorzuziehen.
Auch auf die Breite des Sattels kommt es an. Ist er zu schmal für dich, sitzt du durch falsche Druckverteilung unangenehm auf deinen Weichteilen. Ist er zu breit, scheuert er womöglich an der Innenseite deiner Oberschenkel und es können Abschürfungen entstehen. Der Standardsattel deines Bikes kann zwar zu dir passen, die Wahrscheinlichkeit ist aber recht hoch, dass du ein anderes Modell benötigst. Das Gute ist: Es gibt mittlerweile Sattelhersteller, die genau darauf spezialisiert sind und ergonomische Sättel für jeden Hintern im Programm haben.
Eine Auswahl verschiedener, neuer Sättel im Test, die auf Ergonomie setzen:
- BikeYoke Sagma MTB-Sattel – Ausprobiert!: Wenn der Hüftöffner mit Körnern flext
- Test: SQlab 612 Ergowave active LP – Ergo-Sattel für den Trail
- Specialized S-Works Power Mirror Sattel im Test: Sitzen wie Gott in Frankreich
Grund 3: die falsche Sitzposition auf dem Bike
So wie der Sattel der falsche sein kann, kann auch eine falsche Sitzposition auf dem Bike zu Problemen und Schmerzen führen. Ein zu niedriger Sattel erhöht den Druck auf den Po und kann zu unangenehmen Druckstellen führen. Ist der Sattel zu hoch, kippt man beim Treten das Becken hin und her und es entsteht Reibung. Beides ist durch ein professionelles Bikefitting zu beheben.
Tipp für Frauen: Manchmal hilft es bereits gut, die Sattelnase minimal nach unten zu kippen. So reduziert sich der Druck auf den Genitalbereich und das Sitzen wird angenehmer.
Grund 4: die falsche Bike-Hose
Klar, dass man beim Biken und Rennradfahren eine gepolsterte Radhose trägt, ist den meisten Leuten selbstverständlich bekannt. Dennoch gibt es große Unterschiede in der Qualität der Hosen und auch hier muss die Polsterung genau zu dir passen. Ist dem nicht so, kannst du selbst mit Sitzpolsterhose Probleme bekommen.
Wie beim Rennradfahren empfiehlt es sich auch beim Mountainbiken, unter der weiten Bike-Hose eine eng anliegende Polsterhose zu tragen. Das Polster ist antimikrobakteriell und transportiert den Schweiß weg von deiner Haut. Außerdem sorgt es für eine angenehme Druckverteilung auf dem Sattel und reduziert Reibungen. Ganz wichtig: Wie der Sattel muss auch deine Bike-Hose perfekt zu dir passen. Es gibt eine große Anzahl an verschiedenen Herstellern und Modellen, beispielsweise Gore, Specialized, Ion, POC, Shimano oder Vaude. Grundsätzlich gilt, dass die Hose eng anliegend sein sollte und sich wie eine zweite Haut anschmiegt.
Grund 5: Unterwäsche unter der Radhose
Gerade unter Bike-Neulingen kommt es immer wieder vor, dass unter der gepolsterten Hose normale Unterwäsche getragen wird. Ist ja auch irgendwie erst mal komisch, ohne Unterwäsche in eine Hose zu steigen. Unterwäsche in der Radhose mag zwar augenscheinlich erst mal dafür sorgen, dass die Radhose sauber bleibt, bringt aber einige neue Probleme mit sich: Nähte an ungünstigen Stellen sorgen für Druckstellen und daraus folgende Hautirritationen, Baumwollstoffe saugen den Schweiß auf, anstatt ihn abzutransportieren und Bakterien finden in der warmen und feuchten Hose das perfekte Klima, um sich zu vermehren. Dazu kommen Scheuerungen und Mikrorisse in der Haut und es ist keine Überraschung, wenn sich die Haut entzündet.
Grund 6: ungewohnt viel Zeit im Sattel
Gerade zu Beginn der Saison oder aber bei intensiver Vorbereitung auf ein Event können Sitzschmerzen entstehen. Wer von heute auf morgen zu ungewohnt intensivem Training übergeht, riskiert Sitzschmerzen und Sattelprobleme. Wenn also ein Rennen ansteht, oder du eine längere Bikepacking-Tour machen möchtest, lohnt es sich, frühzeitig mit dem Training zu beginnen und die Zeit im Sattel langsam zu steigern. So ermöglichst du deinem Körper, sich anzupassen und mit der ungewohnten Belastung klarzukommen.
Tipp: Während der Tour hin und wieder aufstehen und 2-3 Minuten im Stehen fahren. Dadurch wird dein Hintern kurzzeitig entlastet und kann sich kurz erholen.
Grund 7: mangelnde Hygiene
Zwar sehen die bereits getragenen Shorts vielleicht noch sauber aus, aber Bakterien sind bekanntlich ziemlich klein und unsichtbar. Gepolsterte Bike-Shorts ein zweites oder gar drittes Mal zu tragen, kann zu unangenehmen Überraschungen untenrum führen. Das feuchte und warme Klima in der Hose sorgt für perfekte Bedingungen für Bakterien und deshalb sollten die Shorts nach jeder Fahrt unbedingt sorgfältig gewaschen und getrocknet werden. Nur so bleiben die antimikrobakteriellen Eigenschaften der Hose erhalten.
Es empfiehlt sich außerdem, nach Ende der Tour die Polsterhose schnellstmöglich auszuziehen und stattdessen in eine lockere Hose zu schlüpfen, die das Auslüften deines Allerwertesten ermöglicht.
Tipp: Solltest du deine Hose nicht direkt waschen können, lüfte sie gut aus, bevor du sie dann zu Hause in die Waschmaschine steckst. So können sich die angesammelten Bakterien nicht so schnell vermehren.
Grund 8: Rasur oder Wachsen des Intimbereichs
Viele Sattelschmerzen würden ohne die Präsenz von Haaren vermutlich gar nicht erst entstehen. Naheliegend ist also eine Rasur oder das Wachsen vor einer Trainingsfahrt. Allerdings können gerade dadurch oft Probleme entstehen! Durch die Enthaarung des Intimbereichs entstehen feinste Mikrorisse in der Haut, die anfällig für Bakterien sind und zu Infektionen führen können. Die Haut ist bereits vor Fahrtantritt irritiert und lange Stunden im Sattel vergrößern das Problem noch weiter. Außerdem kann erhöhter Druck vom Sitzen an manchen Stellen zu eingewachsenen Haaren führen, die sich entzünden können. Was also tun? Manche Radfahrer schwören darauf, nach der Rasur Aloe vera-Gel oder Babypuder zu verwenden. Das kann die Reizung mildern, gibt aber keine Garantie, dass nicht dennoch Probleme auftreten.
Tipp: Zwischen Rasur/Wachsen und der nächsten Ausfahrt sollten mindestens 24 Stunden liegen, damit die Haut sich erholen kann, bevor sie erneut gereizt wird.
Ihr seht schon, Sattelschmerzen und Sitzprobleme beim Radfahren können vielerlei Gründe haben. Zum Glück lassen sich die meisten leicht beheben und niemand sollte wirklich dauerhaft Sitzschmerzen beim Radfahren haben. Und hilft das alles nichts, schwören manche Profis auf den Einsatz von Sitzcremes, die dick auf dem Polster der Hose aufgetragen werden. Möglicherweise hilft es - die Hose muss dann aber umso gründlicher gereinigt werden, bevor man sie das nächste Mal anzieht.
Habt ihr selbst schon Erfahrungen mit Po-Schmerzen beim Fahrradfahren gemacht? Was habt ihr dagegen getan? Teilt eure Geheimtipps gerne in den Kommentaren!