Grünen-Politiker Hofreiter im exklusiven Interview „Radeln muss vor allem sicher sein“

Als einer von wenigen Bundestagsabgeordneten verzichtet er auf einen Dienstwagen und radelt stattdessen durch Berlin: Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter. Wie sich die Verkehrswende und klimaneutrale Mobilität in Deutschland durchsetzen wird, erzählt er im Interview mit uns.
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Exklusives Interview mit Anton Hofreiter zum Thema Radmobilität

Nimms Rad: Angesichts Urbanisierung, Verkehrswende und der sich verstärkenden Energie-Krise: Könnte das Fahrrad mit seinen unterschiedlichen Ausführungen – Cargobikes für die Familie, Faltbikes für den Weg zur Arbeit – immer mehr die Antwort auf diese drängenden Fragen sein?

Anton Hofreiter: Das Fahrrad hat in seinen verschiedenen Varianten – einschließlich der Mietrad-Systeme – eine riesige Bedeutung für die Verkehrswende und klimaneutrale Mobilität, ganz besonders in Ballungsräumen, aber durchaus auch im ländlichen Raum. Politisch geht es darum, eine attraktive Infrastruktur für den Radverkehr zu schaffen. Hier sind vom Bund bis zu den Kommunen alle gefragt, damit mehr Wege bequem und sicher mit dem Rad zurückgelegt werden. Und natürlich sollte auch die Bahn ihren Beitrag leisten und mehr oder einfachere Mitnahmemöglichkeiten für das Rad im Zug einrichten.

Durch die Reform der Straßenverkehrsordnung wurde die Sicherheit für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen zuletzt nochmals erhöht. Ist damit schon alles erreicht?

Nein, es bleibt noch viel zu tun. Im Prinzip ist die Straßenverkehrsordnung immer noch zu sehr mit dem Blick durch die Windschutzscheibe gestrickt. Wir wollen aber echte Gleichberechtigung für alle Verkehrsteilnehmer*innen. Und ich freue mich, dass in Ihrer Frage auch die Fußgänger*innen erwähnt werden – nicht nur der Radverkehr, auch der Fußverkehr gehört dazu.

Wie schaffen wir es, dass der Weg zur Arbeit mit dem Rad nicht nur vernünftig ist, sondern auch Spaß macht und kein Risiko bedeutet? Wer ist aus Ihrer Sicht am meisten gefordert zu handeln?

Radeln muss vor allem sicher sein. Und das Rad muss sicher sein, sobald es abgestellt wird. Die Stadt- und Gemeinderät*innen sind aufgerufen, dass man vor Ort gerne das Rad nimmt. Die Kommunen brauchen dafür aber die Unterstützung von Bund und Ländern. Ein Blick in andere Länder zeigt, was alles machbar ist.

Die Stadt- und Gemeinderät*innen sind aufgerufen, dass man vor Ort gerne das Rad nimmt.

Anton Hofreiter, MdB für Bündnis 90/Die Grünen

Wünschen Sie sich auch von Unternehmen mehr Initiativen, um Mitarbeiter*innen den Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad zu ermöglichen?

Selbstverständlich sind auch die Betriebe gefordert und es gibt ja auch schon viele Initiativen. Aber da geht noch mehr, am besten in Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort aus Politik, Verwaltung und Verbänden. Noch zu wenige Betriebe bieten ihren Mitarbeitenden in Kooperation mit Leasing-Anbietern sogenannte Job-Räder an.

Wo parken eigentlich Bundestagsabgeordnete ihre Fahrräder?

Vor den Gebäuden des Bundestags gibt es eine ganze Menge Radabstellplätze, die werden rege genutzt, sowohl von Abgeordneten als auch von Mitarbeiter*innen.

Voll im Trend liegen aktuell Falträder, die zusammengeklappt unter jeden Schreibtisch passen. Wäre das auch was für den Bundestag?

Wenn man zur Sitzungswoche aus dem Wahlkreis anreist, liegt der Bundestag ja fußläufig zum Berliner Hauptbahnhof. Für diese „letzte Meile“ braucht man kein Faltrad. Ein Faltrad ist meist ein Zweitrad, da muss jede*r selbst entscheiden, ob sich die Anschaffung lohnt. Vor allem die Mitnahme in der Bahn dürfte ein Kriterium sein, um vom Ankunftsbahnhof die Zieladresse zu erreichen.

Mehr Sicherheit, mehr Radwege und mehr Initiativen von Politik oder auch den Arbeitgebern: Was haltet Ihr von den Vorschlägen? Wie können aus Eurer Sicht Städte und Gemeinden sich noch attraktiver für Radfahrer machen? Sagt uns Eure Meinung.


Interview: Florian Fischer

16 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. wenn man den ungeliebten Autoverkehr loswerden will, dann muss man auch akzeptable Alternativen schaffen.

    und da heutzutage Wohnstätten weit weg von Arbeitsorten und/oder Einkaufsmöglichkeiten liegen,
    ÖPNV nicht genügend in der Fläche und Taktung vorhanden ist,
    werden wir auch weiterhin im Individualverkehr Rücksicht aufeinander nehmen müssen.

    defensives Verhalten von ALLEN ist wichtig.

    und natürlich hängt auch alles wieder am UkraineKonflikt 🙄

  2. wenn man den ungeliebten Autoverkehr loswerden will, dann muss man auch akzeptable Alternativen schaffen. (...)
    Als man DE von heute auf morgen wiedervereinigt hat, hat man auch keine Alternativen geschaffen fuer die Leute, die dadurch aus der Spur geworfen wurden (z. B. damals junge West-Studenten wie ich einer war).
    Und dass es mit dem Autoverkehr nicht mehr so weitergeht, das ist nicht von heute auf morgen, sondern das weiss man seit Jahrzehnten.
    Das halbe Jahrhundert ist inzwischen voll. 1972 Hoechstzahl an Verkehrstoten, 1973 Energiekrise, ...
    Dieses ewige 'ja aber die Leute muessen in ihrer Komfortzone abgeholt werden' fuehrt einfach zu nichts. Ausser natuerlich -und deswegen macht es die Politik ja- zur Absicherung der Wiederwahl 🙄

    Die Frage, warum die Landeier alle Auto fahren, wird immer gerne mit 'ja bei denen gibt es ja keinen OePNV' beantwortet.
    Ich tendiere ja eher zur gegenteiligen Einschaetzung, dass es bei denen keinen OePNV gibt, weil sie eh alle lieber Auto fahren. Das Auto war ja nicht immer schon da.
    Im Endeffekt ist es zumindest eine Henne-Ei-Frage.
    Die allgemein uebliche erstere Formulierung kann man jedenfalls auf keinen Fall als 'die ganze Wahrheit' hinstellen.
  3. deine ÖPNV Annahme auf dem Lande ist leider komplett falsch.

    und da die öffentlichen Betriebe oder Betriebe, die Arbeiten der Öffentlichen übernehmen gezwungen sind immer am billigsten fürs Volk zu dienen,
    wird halt alles Qualitativ kaputtgespart und einreduziert.

    das ist halt so.

    es werden die Dinge auf die Privatbevölkerung abgewällst damit die groben/öffentlichen Finanzergebnisse gut aussehen.

    bei meiner ü70 Schwiegermutter (Kleinstadt Randlage) fährt der Bus nurnoch Mo bis Fr, nix am Wochenende.
    und in den Ferienzeiten (also wo kein offizieller Beförderungsauftrag in Gewissem Umfang besteht) nurmehr 2mal am Tag .

    und der DonatEffekt hat es noch schlimmer gemacht.
    riesige Mütterghettos sind entstanden,
    aber ohne Anbindung an Einkauf und Arbeitsstätte

    nicht umsonst gabs die Zechensiedlungen in deren Art und Weis aufm Zechengelände 😉

    usw, usw .....

  4. deine ÖPNV Annahme auf dem Lande ist leider komplett falsch. (...)
    Gut dass Du das weisst und vor allem auch so fundiert begruenden kannst 🤣
  5. Spaßradlfahrten kann man bei uns machen, aber wenn man mit dem Radl irgendwo hin soll bzw. muß, dann hat man einfach verloren. Von Gars nach Wasserburg z.B. führt eine relativ gerade und ebene Strasse auf welcher man in einer halben Stunde in Wasserburg wäre. Das tut sich, mit Grund, niemand an. Die offizielle Radstrecke, mit den klangvollen Namen "Innradweg" , führt bergauf-/bergab und auf ZikZak-Umwegen durch die Landschaft. Das gleiche von Gars nach Mühldorf.

    Gut dass Du das weisst und vor allem auch so fundiert begruenden kannst [Bild]
    Bei uns wurde die Bushaltestelle in Obereinöd abgebaut. Auch wenn die Bushaltestelle noch exisitieren würde, dann wäre man mit den Öffis von dort erst nach stundenlanger Fahr- und Wartezeit nach Priesteröd gekommen, was Luftlinie nur etwa einen Kilometer nördlich auf dem Berg liegt. Wenn man von dort mit den Öffenltichen nach z.B. Haslöd oder etwas weiter nach Öd kommen möchte, dann hat man ganz verloren.
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