Die heutige Geschichte hat in erster Linie mit Druck zu tun. Druck aus 400 ml fassenden Farbdosen, denn diese kommen in diesem Artikel häufig zum Einsatz – und ohne Druck keine Farbe, ohne Farbe kein Aufhänger für diesen Artikel. Es geht um mein liebstes Stadtrad, meinen Sommercruiser, das erst ab 20 Grad so wirklich losrollt. Ohne Sonnenbrille praktisch nicht fahrbar, die Coolness des Bikes muss sich zwingend auf den Fahrer übertragen. Genau dafür ist es da. Aber spulen wir mal zehn Jahre zurück – hier ist die Geschichte eines Fahrrades, das schon ziemlich viel (Farbe) abbekommen hat.
Maurice ist da
In diesem Jahr jährt sich der Kauf dieses Fahrrades zum zehnten Mal. 2012 hatte ich mir gedacht: du brauchst ein locker-flockig-leichtes Fahrrad für die Stadt. Und so ging ich im Internet auf die Suche nach einem günstigen, aber soliden Single Speeder. Passenderweise begab es sich, dass die Firma Mongoose mit dem Modell Maurice genau so ein Fahrrad herstellte und das damals sogar bei Bike-Mailorder erhältlich war. Man stelle sich das vor, Fahrräder waren damals einfach so zu kaufen, ohne Wartezeit! So kam ich für knapp 450 € zu einem wirklich tollen Gefährt, das mir aber zunächst überhaupt nicht passte.
Du brauchst ein Fahrrad, was zu Dir passt, mit Stil, eins mit Charakter – Verstehste? Ein Baby, zum Liebhaben. Du musst es pflegen, streicheln, lackieren, auch Geld reinstecken, son Baby will unterhalten werden! Aber dafür bleibts vielleicht auch bis zum Ende Deines Lebens bei Dir – Dein Eigentum!
Kalle Grabowski, Bang Boom Bang, leicht abgewandelt
Ich bin kein Stadt-Hipster, irgendwo sind auch Grenzen, was Optik vs. Komfort angeht. Gerade wenn man wie ich eine Innenbeinlänge von 97 cm vorweisen kann, ist das Thema Sattelüberhöhung etwas, das man nicht zu sehr ausreizen sollte. Also: Diverse Umbauten mussten her. Insbesondere die Höhe der Front taugte mir so überhaupt nicht, da ich ein zwar schnelles, aber dennoch entspanntes Fahrrad zum Cruisen in der Stadt haben wollte. Also wurde ein kurzer Vorbau und ein Stahllenker mit viel Rise montiert. Optisch schlugen die Fixie-Fahrer jetzt schon die Hände über dem Kopf zusammen, aber mir gefiel es! Und wehe, jemand meckert über die Größe des Rahmens. Ich bin nunmal groß …
Dennoch war ich immer noch nicht ganz zufrieden. Der farblich passende, genietete Sattel, der zwar hübsch aussah, aber sonst nicht viel konnte, musste ebenfalls dringend weg. Ich entschied mich für einen ganz normalen, günstigen Selle Italia Flite und so langsam konnte ich fürs Erste einen Schlusspunkt unter die baulichen Veränderungen setzen. Muss ich erwähnen, dass eine weiss lackierte (!) Kette schon nach kurzer Zeit nicht mehr weiss ist…?
Weiß und Gold hab ich nie gewollt
Die Tage, Wochen und Monate gingen ins Land. Ich war zufrieden mit meinem einen Gang und selbst mein bis dahin längstes Touren-Highlight fand auf meinem schlanken Stahlkumpel Maurice statt: So fuhr ich von Lemgo aus zu einer Freundin nach Osnabrück und am nächsten Tag wieder zurück. Zweimal 80 km können mit einem Fahrrad mit einem Gang ganz schön anstrengend sein, wenn dieser auf eine Wohlfühlgeschwindigkeit von 25 km/h optimiert ist – da fühlt man sich sowohl bergab als auch bergauf durchaus öfter mal machtlos, denn entweder tritt es sich zu schwer – oder gar nicht, weil zu leicht.
Doch die erste Verliebtheit zwischen mir und Maurice schwand. Klar sah das Rad immer noch schick aus, so in weiß und in Gold, aber dennoch musste mal eine andere Farbe her. Da kam es mir ganz gelegen, dass ich meine Kreativität von früher, als ich gerne Helme oder Federgabel lackierte, erneut aktivieren konnte. Ich wollte colortechnisch ins komplette Gegenteil: lebensbejahendes Schwarz war angesagt, metal to the pedal quasi.
Aber komplett dunkel war mir auch zu langweilig. So nutzte ich die Gelegenheit, einige kleine zusätzliche Komponenten in grün zu gestalten. Dies betraf das Hinterrad wie auch die Bremsleitung zur hinteren Bremse. Ach ja: bevor sich jetzt berufsmäßige Lackierer zu Wort melden: natürlich war das alles eine Gartenaktion mit Farbe aus der Sprühdose! Alles nur Spaß, nichts, bei dem ich 100-prozentige Perfektion an den Tag legen konnte, zu limitiert meine Fähigkeiten, was das Sprühen an sich, aber auch die Geduld zum Abkleben und Trockungsphasen abwarten anging. Kleine Farbnasen ließen sich also wie immer nicht vermeiden, dennoch war ich mit dem Ergebnis verhältnismäßig zufrieden. Und optisch fand ich es eh gelungen. Back in black, Amigo!
Alles leuchtet in Neon
Aber auch hier dauerte es nicht lange und ich wurde mit der Farbe wieder unglücklich. So fing ich an, nahezu jedes Jahr im Sommer irgendwann einen Zeitpunkt festzulegen, an dem es mal wieder Zeit war, das Rad auseinander zu nehmen und neu zu lackieren. Dabei beschränkte ich mich nun nicht nur auf den Rahmen, sondern auch auf die Gabel, den Lenker und später sogar die Felgen. Es begann die wildeste Zeit, in Lebensphasen eingeteilt würde Maurice nach der Teenager-Metalphase jetzt gerade mit Frische und Ausgelassenheit sein erstes Studium beginnen: Neon grün musste es sein, mit pink leuchtenden Felgen. Insbesondere die Felgen waren eine schwierige Entscheidung, da ich einerseits ein möglichst schönes Ergebnis haben wollte, dieses aber auch mit möglichst wenig Aufwand. So entschied ich mich für eine pragmatische Lösung in der Mitte: Bremsflanken, Freilauf und alle Gewinde abkleben, den Rest abschleifen und gnadenlos inklusive Speichennippeln und Namen mitlackieren (sorry nochmal an alle beruflich Lackierenden für diesen schlechten Stil…) Damit die Farben richtig ballerten, wurde zunächst weiß grundiert, dann der Neonlack aufgetragen.
Bald war das Prachtstück fertig. Oh ja, das Rad sorgte nun für Aufsehen, verständnislose bis staunende Blicke wechselten sich beim täglichen Cruiser-Ritt durch die Stadt ab. Vorwiegend aus dem Grund, dass die Farben nicht nur so lange leuchteten, bis die Sonne verschwunden war, sondern auch im Dämmerungslicht immer noch eine gute Figur machten. Neon sei Dank.
Dezent mit Goldflocken. Und einem schwerwiegenden Fehler
Rund zwei Jahre war ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Aber wie es immer so kommt, die Lust auf Veränderung wogte. Etwas dezenter sollte sein. Aber auch nicht zu dezent. So entschied ich mich für einen orangefarbenen Grundton mit türkis lackierten Felgen und Narben. Aber ich brauchte irgendwie noch ein kleines i-Tüpfelchen. Diese fand ich in einer Glitzerfarbe mit Goldflakes, die on top auf das orange kamen. In der Vorstellung und beim Probelackieren: Hammer. Das sah alles insgesamt ziemlich in Ordnung aus. Leider hatte ich, als sich das Ergebnis langsam dem Finale näherte, das Problem, dass sich durch irgendeinen Lackierfehler dunkle Schlieren in den Lack mit hineingewieselt hatten, die ich auch nicht mehr weg bekam. Hatte ich zu wenig Trockungszeit bedacht? Vertrug sich der Gold Flakes-Klarlack nicht mit dem Orange? Zwar sah man die Fehler nur, wenn man sich näher mit dem Rad beschäftigte, aber als eigener Lackierer des Rades stört einen so etwas ja doch irgendwie immer. Rad also fertig, aber … ein optisches Störgefühl fuhr mit. Dies war auch der Grund, warum der Orange-Modus nicht von allzu langer Dauer war.
Aber was tun? Nun hatte ich seit Jahren immer das gleiche Schema praktiziert und alle Farben mehr oder weniger übereinander lackiert. Quasi wie ein Wunderball-Kaugummi, nur rückwärts. Das Rad musste mittlerweile sicherlich ein halbes Kilo schwerer sein, aber das war mir egal – ich weiß von früheren Lackier-Aktionen, wie aufwändig es ist, einen Rahmen vollständig zu entlacken, wenn man es ohne Beize machen möchte.
Auf Ropelatos Spuren
Gleichzeitig war es zu der Zeit, als es vom Santa Cruz-Fahrer Mitch Ropelato ein Bike mit einem Design gab, dass mehr oder weniger ziemlich abgekratzt aussah und durch die doppelte Lackierung gleich mehrere Farben aufwies. DER HAMMER.
Das wäre doch mal wirklich eine spannende Idee, so etwas nachzumachen. Wenn jemand über ewig viele Lackschichten übereinander verfügt, dann ja wohl das gute Mongoose. Gesagt getan, neuen Klarlack gekauft, das Rad wieder auseinander genommen und ordentlich grobe Körnung auf den Schwingschleifer gepackt. So fing ich locker flockig an, einzelne Inseln immer weiter herunterzuschleifen, ohne vorher zu wissen, wie es nachher aussehen würde. Mittlerweile hatten sich so einige Farbschichten angesammelt und ich spürte, dass das doch eine spannende Sache sein könnte. Mit den Felgen ging ich identisch vor, auch wenn hier nicht ganz so viele Farbschichten über einander lagen. Ich war zügig fertig – das war definitiv die kürzeste Lackier-Aktion mit diesem Fahrrad überhaupt! Klarlack drauf, trocknen lassen, fertig. Ein wunderschönes Design, das mir auf jeden Fall länger gefiel als der Vorgänger – der orange-farbene Grundton war weiterhin erkennen, aber ich konnte mich kaum sattsehen an diesem sehr besonderen Lack. Toll!
Paint it Turq
Aber es kam, wie es kommen musste. Neues Jahr, neuer Paintjob. Diesmal sollte es ganz anders werden. Meine Lieblingsfarbe bewegt sich schon immer zwischen Türkis und blau, also sollte diesmal die Grundfarbe in eben diesen Ton sein. Die Felgen hatte ich in einem Vanille-Gold geplant. 2020 kam es dann zum bislang immer noch gültigen Design. Durch die Abschleifaktion zur Ropelato-Variante war es mir wichtig, dass ich vorab eine Grundierung vornehme wie schon beim Neon-Design. Also wurde zunächst wieder alles weiß, bis ich anschließend die türkise Farbe auftragen konnte. Inklusive Felgen, deren Abklebung wieder einmal das Schwierigste an der ganzen Aktion war. Hier folgt das Vanille Gold, das mit Gold ehrlich gesagt leider nicht ganz so viel zu tun hatte. Ich war wieder wieder zufrieden!
What next?
So ist also der aktuelle Stand. Maurice in türkis gibt es jetzt schon über 2 Jahre – das kann man durchaus als halbwegs zeitlos bezeichnen. Allerdings kennt mich Maurice leider zu gut. Denn ich bin schon ganze Zeit wieder am Überlegen: Irgendwie müsste es doch zu schaffen sein, dass ich mal ein Design finde, das ich bisher noch nicht hatte … und ich sage euch eins:
Bald ist wieder Frühling. Perfekt, um Rahmen draußen trocknen zu lassen …
Habt ihr schonmal ein Rad selber lackiert?
Alle Artikel unserer Kolumne findet ihr hier:
- Tobias nimmt’s Rad – und den Tesla: Wie kommt die Fahrrad-Mobilität mit in den Urlaub?
- Laurenz nimmts Rad: … und fährt zur Kidical Mass
- Fahrradparkhaus Eberswalde in Brandenburg: Zukunft aus Holz für 600 Fahrräder
- Neue Verbote für den Radverkehr: Tempolimit, Lärmschutz – was kommt als Nächstes?
- Stefanus nimmts Rad: Eine Ode ans Pendeln mit dem Fahrrad