Mit dem Larry vs Harry Bullitt hat sich IBC-User „KonsiKleine“ den heimlichen Wunsch nach einem leichten, aber haltbaren Lastenrad erfüllt, mit dem er seinen Alltag effizient meistern kann. Von der Wahl des Rahmens über die elektronische Schaltung bis hin zum Riemen-Antrieb erfüllt jedes Anbauteil an diesem Bike einen besonderen Zweck.
[Dieser Artikel erschien ursprünglich als „Bike der Woche“ am 01.03.2018 auf MTB-News.de]
Larry vs Harry Bullitt Userbike von „KonsiKleine“
MTB-News.de: Hallo KonsiKleine, dein Bike hat es unter die beliebtesten Fotos der Woche im Fotoalbum geschafft: Wie ist es zu deinem Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen?
Zum ersten Mal ein Bullitt gesehen habe ich 2010, auf dem Copenhagenize-Blog von Mikael Colville-Andersen. Das sah interessant aus, aber so wirklich Verwendung hatte ich für so ein Rad vor 8 Jahren nicht. Platz war auch Fehlanzeige, ich wohnte direkt auf der Reeperbahn in St. Pauli ohne Keller. Erstmal habe ich dann ein gebrauchtes Tandem angeschafft. Fast-forward nach 2014. Umzug nach Genf in die Schweiz. Ein Bücherregal fürs Wohnheimzimmer musste her, aber damit in der Straßenbahn? Carsharing war auch noch nicht, dafür musste erst mein Schweizer Ausländerausweis und ein Schweizer Führerschein her.
„Zunächst, ich musste es tragen können, meine neue WG hat keinen Keller, ist aber nur im ersten Stock.“
Hinterm Bahnhof gab es aber ein Lastenrad im Verleih. Holländisches Bakfiets mit kurzer Kiste, ungefähr 45 kg schwer (ohne Bücherregal), aber zur Überraschung des IKEA-Verkaufspersonals und meiner Kommilitonen passten ein IKEA Kallax und noch einiges anderes problemlos auf das Rad und ließen sich auch noch ganz passabel fahren. In der nächsten Zeit wurde ich beim Fahrradverleih zum Stammkunden, egal ob zum Großeinkauf jenseits der Schweizerischen-Französischen Grenze (um das Studentenbudget zu schonen, kaufe ich fast alles von Cornflakes bis zur Zahnpasta in Frankreich, das sind so ca. 9 – 12 km one way), um mit Kommilitonen (auf der kleinen Sitzbank in der Kiste) zum Fahrradflohmarkt 20 km weiter oder als Umzugshelfer, das Lastenrad erwies sich als sehr praktisch. Spaß machte es auch. Das merkten auch viele andere Genfer, denn das Rad war oft schon verliehen, wenn ich es brauchte.
Nachdem ich nach dem Master als Doktorand in Genf weiter machen durfte, begann ich über die Anschaffung eines eigenen Lastenrades nachzudenken. Inzwischen war ich in eine WG umgezogen, die über einen Keller mit Rampen-Zugang verfügte. Abstellen wäre also kein Problem gewesen. Doch bevor ich ein Lastenrad beschaffen konnte, machte Asbest dem Park-Traum den Garaus. Die Idee ließ mich trotzdem nicht los, was auch meinem Vater (von dem ich mein Rad-Gen geerbt habe, er fährt selbst zurzeit einen Randonneur mit Hagen-Wechsel-Maßrahmen) nicht verborgen blieb. Er ließ durchblicken, dass meine Eltern mich zu meinem nahenden 30. Geburtstag bei der Lastenradbeschaffung unterstützen würden. Nur was für eins?
Zunächst, ich musste es tragen können, meine neue WG hat keinen Keller, ist aber nur im ersten Stock. Allerdings mit einem sehr runden Treppenhaus. Schwere Räder wie das Bakfiets waren also raus. Und seitdem ich das Bullitt gesehen hatte, sah ein Lastenrad in meinen Träumen sowieso immer so aus. Also kurzerhand ein Bullitt von einem Kurierdienst ausgeliehen und probegetragen. Es passte durchs Treppenhaus, aber nur sehr knapp, Schutzbleche und Gepäckträger machten es komplizierter und verhinderten, dass ich das Rad in der Wohnung drehen konnte. Aber ohne müsste es eigentlich passen. Außerdem wollte ich keinen Lenker, der breiter ist als der Rahmen …
Mit den Standardkonfigurationen von Larry vs Harry kam ich da nicht weit. Der Plan war dann zunächst, einen Rahmen zu kaufen und Laufräder bauen zu lassen (das traue ich mir selbst nicht ganz zu) und den Rest dann selbst zusammenzubauen. Allerdings gestaltete sich selbst das schon schwierig (die Versandkosten für die Rahmen sind vergleichsweise hoch und Laufräder mit solchen Sondermaßen kann man auch nicht überall bestellen) und ich überlegte, zumindest auch alle Teile bei einem Händler mitzukaufen, erst recht wenn es eine Di2-Schaltung (viele kleine Spezialteile) und Gates-Riemen werden sollte.
Über mehrere Monate stellte ich Teile-Listen zusammen, insbesondere die Bullitt-Aufbaufäden hier im Forum haben mir sehr geholfen. Parallel suchte ich nach einem Händler, der sich auf das Abenteuer einlassen wollen würde. In der Schweiz fand sich niemand, in Deutschland winkten nur drei Händler nicht gleich ab bei meinen Vorstellungen, einer war allerdings schon für mehrere Monate ausgelastet. Einer wollte zwar – aber wenn mit Nabenschaltung, dann nur mit Rohloff, so dass am Ende Marcel von SM-Parts in Nürnberg übrig blieb. Das ist nur eine knappe halbe Stunde von meinen Eltern weg, sodass sich ein Versand des Komplettrades erübrigen würde. Nach längerem Überlegen wollte ich auch zumindest die Di2-Schaltung nicht selbst verkabeln und den Gates-Riemen selbst ausrichten müssen, so dass ich zum ersten Mal in diesem Jahrtausend ein Rad nicht selbst aufbauen würde. Trotzdem hatte ich sehr genaue Vorstellungen und habe bis hin zu den Speichennippeln alle Teile im Detail ausgewählt.
Mit Marcel entwickelte sich schnell erst eine intensive (e-Mail-)Brieffreundschaft, dann telefonierten wir mehrmals die Woche. Insgesamt sicher mehr als 20 Stunden, bis die endgültige Teileliste stand. Manche Inkompatibilitäten wären mir sicher erst beim Zusammenbau aufgefallen, das hätte teuer werden können. Über sechs Wochen hinweg hatten wir den Rhythmus, dass ich Marcel am Montag meine Vorstellungen erklärte, er über die Woche hinweg recherchierte, ob das geht und wir dann am Freitagabend ein bis zwei Stunden die neuen Erkenntnisse besprochen haben. Dann hatte ich über das Wochenende Zeit, mir dazu Gedanken zu machen, und am Montag ging es in die nächste Runde. Marcel hat es dann sogar auf meine Weihnachtsgeschenke-Liste geschafft.
Nachdem ich über Weihnachten sowieso in Deutschland war, wurde die Fertigstellung mutig für den 23. Dezember angepeilt. Wie das bei solchen Projekten (Hallo, Elbphilharmonie :) ) wohl öfter so ist, sah es erst ganz gut aus, dann ergaben sich einige Verzögerungen und Lieferprobleme. Marcel hat einen grandiosen Endspurt hingelegt, doch dann fehlte der Akkuhalter für die Di2, Shimano hatte den falschen ins Paket getan. Mit viel Einsatz hat Marcel 35 km südlich von Nürnberg einen Händlerkollegen gefunden, der einen solchen Akkuhalter von einem Ausstellungsrad demontiert hat und über Freunde von Freunden am Morgen des 23. Dezembers nach Nürnberg gebracht hat. So konnte ich das fertige Bullitt am 23. Dezember abholen. Es passte alles auf den Millimeter genau.
Worauf hast du beim Aufbau deines Bikes besonders geachtet?
Das Bullitt ist eigentlich mit Standardkomponenten aufgebaut, aber in einer weitgehend einmaligen Kombination. Es gab verschiedene Umstände, die die Teile-Auswahl beeinflusst haben.
Zum einen, wie oben erwähnt, muss das Rad vor und nach jeder Fahrt durchs Treppenhaus. Das bedeutet zum einen so leicht wie ohne Stabilitätseinbußen möglich, zum anderen möglichst wenig abstehende Teile wie Schaltwerk, Schutzbleche, Gepäckträger und so weiter. Ein Beispiel für die dadurch nötigen Kompromisse ist die Alfine 11 Nabenschaltung mit Riemen. Das ist im Vergleich zu einer 1×11 oder 1×12 Kettenschaltung die schwerere Lösung, andererseits unschlagbar kompakt und unempfindlich. Gegenüber einem Bullitt von der Stange sparen dafür beispielsweise die Laufräder, die Ladefläche (von Punta Velo), oder der Aufbau ohne die Lenkerhöhenverstellung Gewicht (auch das letztere war ein Punkt, den viele Händler nicht umsetzen wollten).
Zum anderen wollte ich gerne eine Sitzposition möglichst ähnlich wie auf meinen anderen Rädern (alle mit Rennlenker), aber auch nicht zu viel Höhe an der Ladefläche einbüßen; und einen Lenker, der nicht breiter ist als der Rahmen (wegen des Handlings im Verkehr und des Treppenhauses). Recht früh im Projekt hatte ich mich deswegen auf einen Zeitfahrlenker/Bullhorn und etwa 12 cm Sattelüberhöhung festgelegt. Dadurch, dass an einen Bullhorn aber keine normalen MTB- oder RR-Komponenten passen, zog diese Entscheidung eine Reihe an weiteren Festlegungen nach sich. Wenn es eine vollhydraulische Scheibenbremse werden sollte, musste die Schaltung eine Di2 werden, die Bremsschalthebel dann zwingend aus der Dura-Ace-Serie, und deswegen auch Shimano-RR-Scheibenbremsen sein. Alfine 11 anstatt 8, wie auch die relativ kleine Riemenscheibe vorne sind der bergigen Topografie Genfs geschuldet, eine normale Fahrt über 7 oder 8 km hat hier schnell 300 hm.
Bei anderen Details ging es um die Anpassung an meine Körpermaße. Die Alfine-Kurbel, die von Larry vs Harry für den Gates-Riemen am Bullitt angeboten wird, gibt es nur in 170 mm Länge, mir passen aber 175 mm besser (und ich bin seit einer Knie-OP da wenig kompromissbereit), die Sattelstütze sollte keinen Setback haben (deswegen Trail anstatt Comp) und der Sattel ist sowieso eine sehr persönliche Vorliebe.
Wo es ging, habe ich auf die Optik geachtet. Farbliche Akzente sind so u. a. die Bremsscheiben, der Riemen, und die Speichennippel. Die schwerste Entscheidung für mich war die Farbe des Rahmens, da war ich wochenlang am Grübeln, bin mit dem Rot jetzt aber sehr glücklich.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Zurzeit bin ich mit dem Rad sehr glücklich. Irgendwann würde es mich mal reizen zu testen, wie es sich mit einem Zeitfahraufsatz am Lenker fährt, aber da muss ich wohl erstmal Marcel anrufen, ob das mit dem Di2-Display überhaupt passen kann. Und die Ladefläche soll nicht immer weiß bleiben. Ob es ein Stadtplan oder eine Grafik wird, habe ich aber noch nicht entschieden.
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Alltagstransporte, Ausdauertraining, Spaßfahrten
Was wiegt das Bike?
ca. 22.5 kg
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
Es fällt mir schwer, mich nur auf ein Highlight festzulegen. Die Ergonomie mit den Dura Ace TT-STI in Kombination mit Di2 und hydraulischen Scheibenbremsen ist allerdings was ganz Feines.
Wie fährt sich das Rad?
Ich habe (außer bei einem Hamburg-Besuch ein StadtRad) kein anderes Rad gefahren, seitdem ich das Bullitt habe. Es macht einfach so unglaublich viel Spaß. Je nach Wetter, Kalender und Tagesform 150 – 250 km in der Woche. Ich suche nach Anlässen, noch etwas mehr oder etwas weiter Rad zu fahren. Egal ob unbeladen, mit ein paar Kilo, oder einem Freund mit 60, 70 kg auf dem Weg in die Kneipe, es geht alles und es geht sehr gut. Im Vergleich zum normalen Rad fällt mir auf, dass ich mehr schalten muss. Bergauf brauche ich eher kleine Gänge, aber dank Alfine Di2 ist das völlig problemlos.
Es ist so allerdings nichts für Schüchterne, ich werde bei jeder Fahrt auf das Rad angesprochen, manchmal auch ungefragt fotografiert. Die häufigste Frage ist die nach dem Elektromotor … Das mit dem Fotografieren verstehe ich allerdings. Mir gefällt das Rad so gut, dass es im Schlafzimmer gleich neben dem Bett parken darf.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Ich fahre eigentlich gar kein MTB im klassischen Sinne, eher mit einem zum Tourenrad umgebauten Cyclocrosser auf allen Untergründen, bis ich stecken bleibe. Rad fahre ich schon seit ich denken kann (etwa seit 1990) und seit 1998 schraube ich auch selbst an meinen Rädern.
Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Ich sehe das mit Trends und der Entwicklung in der Industrie eher entspannt und suche mir einfach die Teile raus, die mir am meisten taugen. Zwei meiner Räder fahren seit 6 bzw. 7 Jahren mit einer Campa-Shimano-Mischung bei den Komponenten sehr gut, andererseits ist die Di2 am Bullitt eine wirklich runde Sache, die mit klassischen Komponenten schwer umzusetzen gewesen wäre.
Du und die Internet Bike Community – Wann und wie bist du zu uns gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Im Forum bin ich eher stiller Mitleser. Gefunden habe ich das Forum vor einigen Jahren über die Rahmenbau-Abteilung und finde das immer noch faszinierend, was manche da als „Hobby“ zustande bringen. Viel lese ich auch die Reiseberichte und die Aufbauthreads.
Technische Daten: Custom Larry vs Harry Bullitt 2018
Rahmen: Larry vs Harry Bullitt (Einheitsgröße)
Gabel: Larry vs Harry Bullitt (ungefedert)
Dämpfer: ungefedert
Steuersatz: Vorne spezifisch für das Bullitt, hinten FSA Orbit XL II
Bremsen: Shimano Road BR-RS785 mit Hope Floating Disk (rot), 203mm vorne, 180mm hinten
Vorbau: Ritchey Trail 60mm
Lenker: Profile Design Ozero TT 440mm
Griffe: FIZIK BAR:TAPE Endurance Classic – Rot
Felgen: Halo EX3 BMX Race Rim 20×1.5, Schwarz DISC vorne, Halo Vapour 26″ Felge, Schwarz DISC hinten
Naben: Vorne Shutter Precision SD-8 Disc 32L schwarz, hinten Alfine 11 Gang 32L
Reifen: Schwalbe Kojak 35mm Kurbel + Innenlager: Sram Apex 1 175mm & ASRAM Truvativ GXP Innenlager Road BSA 68/73mm
Kettenblatt / Kettenblätter: Gates Carbon Drive CDX Front 50T
Kettenführung / Umwerfer: keinen
Schalthebel: Shimano Dura Ace Di2 ST-R9180 TT
Schaltwerk: Shimano Alfine 11 Di2
Pedale: Shimano DEORE XT PD-T8000
Kette: Gates Carbon Drive Belt CDX 113 Rot
Kassette: Gates Carbon Drive CDX Rear 28T
Sattel: Selle Italia SLS Kit Carbonio
Sattelstütze: Ritchey Trail Zero 400mm/31.6
Sattelklemme: Procraft PRC SPC1 Rot
Sonstiges: Das Bullitt ist meines Wissens das einzige, was Triathlon-Basebar/Bullhorn mit hydraulischen Scheibenbremsen und Di2-Schaltung kombiniert. An Teilen über die obrige Liste hinaus erwähnenswert ist die Lichtanlage von Supernova (E3 Pure und E3 Taillight)
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