Kommen Gespräche auf das Thema Nachhaltigkeit, wird es selbst in der Bikebranche meist recht still: Groß sind die Hypotheken langer Lieferketten und der Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von Fahrrädern und deren Komponenten. Beim Familienunternehmen Schwalbe ist man nun angetreten, sich dieser Verantwortung zu stellen – und veröffentlicht einen ersten Nachhaltigkeitsbericht. Seid gespannt!
CSR nach internationalem Standard
Corporate Social Responsibility, die wörtlich übersetzte Unternehmens-Sozial-Verantwortung, nennen wir hierzulande gern unscharf Nachhaltigkeit. Aber was genau versteht man darunter? Reifenhersteller Schwalbe folgen in ihrem ersten eigenen CSR-Bericht den international anerkannten Sustainability-Reporting-Standards der Global Reporting Initiative (GRI). Diese ermöglichen durch ihre Vorgaben eine Standardisierung und Vergleichbarkeit aller Nachhaltigkeitsthemen zwischen verschiedenen Unternehmen, auch außerhalb der Fahrradbranche.
Reifenherstellung und Umwelt – (wie) geht das zusammen?
So unbestreitbar umweltfreundlich und gesundheitsfördernd das Fahrradfahren an sich ist, geht dabei halt nicht viel ohne Fahrräder. Besonders Reifen stehen nicht im Verdacht, eine wahnsinnig umweltfreundliche Angelegenheit zu sein: Zum Gummi, einem Industrieprodukt aus Kautschuk, gesellt sich als eine weitere Hauptzutat Ruß und eine Karkasse, meist aus Nylon. Abrieb landet in Form von Feinstaub in Umwelt und Gewässern und dann ist da noch die Frage, was mit den Altreifen passiert. Hinzu kommen die bekannten Fragen über Lieferketten, allgemeine Handlungen des Unternehmens und soziale Themen: ein weites Feld.
Wer Produkte für eine klimafreundliche Mobilität anbietet, sollte selbst auch nachhaltig handeln. Das ist der Anspruch an unsere unternehmerische Verantwortung. Wir verfolgen das Ziel, unsere Geschäftsziele mit weniger Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung zu erreichen. Um das zu schaffen, möchten wir möglichst viele Partner inspirieren und einbinden. Unsere Vision ist es, dauerhaft wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen.
Frank Bohle, Schwalbe CEO
Nicht allein das Rad ist rund: Auf dem langen Weg zur Kreislaufwirtschaft
Die Basis für das Schwalbe-Verständnis von ökologischer Verantwortung basiert laut Schwalbe-Presseinformation auf der Kreislaufwirtschaft nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip. Dabei sollen Produkte und Prozesse von Anfang an so konzipiert werden, dass sich alle Materialien auch nach ihrer Nutzung verwerten lassen und kein Müll entsteht. Ein Beispiel dafür ist das Schwalbe Recycling System – nach bereits sieben Jahren Schlauchrecycling werden seit Sommer 2022 nun auch gebrauchte Reifen recycelt und für neue Schwalbe-Produkte verwendet.
- Im Jahr 2023 soll der erste Serienreifen vorgestellt werden, der mit dem aus dem Reifenrecycling gewonnenen rCB hergestellt wird.
- Bis 2026 plant Schwalbe, 14 Millionen Reifen und 15 Millionen Schläuche zu recyceln.
- Alle nicht vermeidbaren Flugemissionen werden ab dem Jahr 2022 durch die Finanzierung zertifizierter Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte in den Produktionsländern ausgeglichen.
- In der Unternehmenszentrale in Deutschland sollen ab 2025 zu 100 % erneuerbare Energien genutzt werden.
- Um das Projekt Lieferkettentransparenz zu starten, tritt Schwalbe 2022 als Mitglied der Responsible Sports Initiative (RSI) bei.
- Ein wesentliches Ziel im Bereich Lieferkette ist der Ausbau des Fair Rubber Programms. Die Mitgliederzahl soll bis 2023 um über 700 % gesteigert werden.
- Im Bereich Soziales plant Schwalbe, 2022 einen eigenen Kinderbeirat im gemeinsamen Projekt mit dem Children e.V. zu gründen.
Erste eigene Klimabilanz
Im Jahr 2021 hatte Schwalbe erstmals eine eigene Klimabilanz für die Unternehmenszentrale in Deutschland erhoben. Diese ergab einen Ausstoß von 1.351,84 Tonnen CO₂. Im Vergleich zum Basisjahr 2018 ergab sich eine Reduktion um über 1.100 Tonnen. Ganz wesentlich zu diesem Erfolg beigetragen haben die Einsparungen im Bereich Material, Mobilität und Energie. Daran möchte das Unternehmen in den kommenden Jahren anknüpfen und bis 2030 die Emissionen um mindestens 55 % gegenüber 2018 reduzieren.
Wir erreichen mit der Veröffentlichung des ersten CSR-Berichts einen Meilenstein, weil wir nach GRI-Standards transparent offenlegen, wo wir bei Schwalbe aktuell stehen und wo wir hinwollen. Unsere unternehmerische Verantwortung bezieht sich nicht nur auf unsere eigenen Produkte oder unser soziales Engagement, sondern auch auf die vor- und nachgelagerte Lieferkette. Wir möchten einen echten positiven Beitrag leisten und geben uns mit dem Reduzieren von negativen Einflüssen nicht zufrieden. Unsere Ziele sind ambitioniert, aber unser Reifenrecycling zeigt exemplarisch, dass wir als Team schwierige Hürden meistern können.
Felix Jahn, Schwalbe CSR-Manager
Felix Jahn, Enkel des Schwalbe Firmengründers und Schwalbe CSR-Manager war im Juli zu Gast bei Sissi in unserem Nimms Rad-Podcast „Catching Up“. Hier geht’s zum Podcast.
Hier gehts zum Schwalbe-CSR-Bericht
Fair Rubber
Schwalbe kooperiert bereits seit 2019 mit dem Fair Rubber e.V. Gemeinsam setzten sich beide für fairen Handel von Naturkautschuk ein und unterstützen aktiv die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kautschukzapfern. Obwohl 70 % des weltweit gehandelten Naturkautschuks in der Reifenindustrie zum Einsatz kommen, ist Schwalbe bislang der erste und einzige Reifenhersteller, der dort Mitglied ist.
Schwalbe Recycling System
Nachdem seit bereits sieben Jahren Schwalbes Schlauchrecyclingprogramm über sieben Millionen Schläuche recyceln konnte, hat Schwalbe in diesem Jahr sein Reifenrecycling gestartet: Schwalbe nimmt als bislang einziger Hersteller weltweit seine gebrauchten Fahrradreifen zurück, um in einem aufwendigem thermochemischen Pyrolyseprozess entstehenden Sekundärrohstoffe in der Herstellung neuer Produkte einzusetzen. Der Prozess spart rund 80 % CO₂ gegenüber der bisher üblichen Verbrennung ein. Aktuell zählt das Schwalbe Recycling System bereits rund 950 Teilnehmende aus dem Fachhandel, Tendenz steigend. Alle Infos zum Schwalbe Reifen-Recycling findet Ihr hier!
Industrie und Nachhaltigkeit: Nach welchen Kriterien beurteilt Ihr die Glaubwürdigkeit solcher Zahlen?