Es ist eine Horror-Vorstellung für alle auf dem Fahrrad: Bei voller Fahrt öffnet sich eine Autotür – der Crash ist unvermeidlich und oft lebensgefährlich. Mittlerweile gehört das Dooring zu einem der häufigsten Unfälle zwischen Autos und Zweirädern. Wir haben mit einem Experten gesprochen, was getan werden kann.
Im Durchschnitt passiert das in Berlin nach Informationen der Polizei seit 2018 bis Anfang 2022 einmal am Tag. Auch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz sind Dooring-Unfälle keine Seltenheit mehr. Und die Polizei Mainz erwartet durch die Zunahme des Radverkehrs in Zukunft noch mehr. Es wird also Zeit, dass etwas dagegen unternommen wird.
Der Radfahrer kann gegen das ‚Dooring‘ praktisch gar nichts unternehmen. Der Autofahrer muss das Wesentliche leisten.
Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer (UDV)
Nach Untersuchungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV) ist Dooring bereits die zweithäufigste Unfallursache für Radfahrer*innen. An der Spitze steht nur der Unfall mit Autos und Lastwagen, die Biker*innen die Vorfahrt nehmen. „Der Radfahrer kann gegen das Dooring praktisch gar nichts unternehmen“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer (UDV) im Gespräch mit uns.
„Dagegen spricht die einfache Physik. Bei allein 20 Stundenkilometern braucht man auch bei guter Reaktionszeit elf Meter bis zum Stillstand. Wichtig ist, dass man aus dieser Dooring-Zone herauskommt und mindestens einen Meter Abstand zu parkenden Fahrzeugen hat“, so Brockmann.
Der „Holländische Griff“ als Erinnerung
Um teilweise tödliche Dooring-Unfälle zu vermeiden, müssen also Autofahrer*innen das Wesentliche leisten. „Das bedeutet, er muss in den Spiegel schauen, er muss sich umdrehen, Schulterblick und noch einmal in den Spiegel schauen. Und dann erst die Tür aufmachen.“
Doch wie zwingt man sich dazu, sich wirklich immer vor dem Aussteigen zu vergewissern? Immer wieder genannt wird dabei der „Holländische Griff“. Der Clou besteht darin, dass die Türklinke mit der rechten Hand geöffnet wird und man quasi zum Schulterblick gezwungen wird. „Aber das reicht noch nicht, denn die Drehung erfordert nur 70 Grad. Man muss jedoch bis zu 12 Meter nach hinten schauen, das bedeutet, dass ich mich 130 Grad drehen muss. Als Erinnerungsstütze taugt der ‚Holländische Griff‘ also gerne, aber es reicht nicht aus.
Tipps zu Vermeidung von Dooring-Unfällen:
Auf dem Rad
- Haltet immer genügend Sicherheitsabstand zu parkenden Autos, um eine mögliche Kollision zu vermeiden.
- Seid stets bremsbereit und passt Eure Geschwindigkeit an den vorherrschenden Verkehr an.
- Achtet auf mögliche Lichtsignale am Außenspiegel des parkenden Fahrzeugs und/ oder auf weitere Hinweise, die ein zeitnahes Aussteigen signalisieren.
Im Auto
- Nutzt den „Holländischen Griff“ (s.o.)
- Öffnet Türen immer langsam (besonders im Stadtverkehr).
- Achtet beim Aussteigen grundsätzlich auf den umliegenden Verkehr und nicht nur auf Radfahrende.
- Werft einen Blick in den Rückspiegel und wendet den Schulterblick an, um einen toten Winkel zu vermeiden.
- Achtet auch darauf, dass Mitfahrer nicht ohne auf den umliegenden Verkehr zu achten die Tür öffnen, Radwege führen häufig rechts neben parkenden Autos entlang.
- Rechnet damit, dass E-Scooter- oder Roller-Fahrende schneller unterwegs sind und schlechter bremsen können.
Städte können mehr Sicherheitszonen schaffen
Zunehmend, aber leider nur zu selten, würden Kommunen bereits Sicherheitstrennzonen von etwa 75 Zentimetern zwischen den parkenden Autos und der Radstrecke einrichten, sagt Brockmann. Oftmals würde die Fahrrad-Fahrspur jedoch einfach mit der der Autos zusammengelegt. „So entstehen wieder neue Konflikte. Dem Autofahrer muss klar und deutlich gemacht werden, dass sie sich die Spur mit Radfahrern teilen müssen.“ Schwierig würde das besonders im Nebenstraßennetz, wo die Wege noch schmaler sind und der Platz noch geringer. „In der Folge will der Radfahrer Abstände einhalten und wird gleichzeitig immer mehr bedrängt vom Verkehr.“
Die bestehenden Regeln müssten von den Kommunen noch konsequenter und mutiger zugunsten der Fahrradfahrer*innen ausgelegt werden. „Zur Not müssen hier und da Parkplätze gestrichen werden“, fordert Brockmann. Mehr Mut beim Bau von besserer Infrastruktur hat auch Grünen-Politiker Anton Hofreiter im Nimms-Rad-Interview gefordert.
Ausstiegswarner für mehr Sicherheit im Straßenverkehr
Aber auch die Autohersteller können einen Beitrag leisten. Erste Fahrzeuge verfügen bereits über elektronische Warnsysteme, die Dooring-Unfälle vermeiden sollen. Bei solchen Ausstiegswarnern handelt es sich in der Regel um eingebaute Sensoren, die heranfahrende Zweiradfahrer*innen erkennen und die Autofahrer*innen warnen. Entweder mit einem Ton- oder einem Licht-Signal. Manche Modelle haben sogar ein Sicherheitssystem entwickelt, dass die Tür in einer Gefährdungssituation kurzzeitig blockiert – „das wäre natürlich das Non-Plus-Ultra“, so Brockmann.
Die Fahrradbranche entwickelt ebenfalls Sicherheitssysteme, die im Zweifel über Leben und Tod entscheiden können. Eine davon ist der Fahrrad-Airbag im Rucksackformat von Evoc. Schaut Euch die neusten Produkte in Sachen Sicherheit an, die erst kürzlich auf der Eurobike gezeigt wurden.
Grundsätzlich geht die „Unfallforschung der Versicherer“ von einer sehr hohen Dunkelziffer aus, denn nicht jeder Unfall würde auch der Polizei gemeldet. Deshalb auch der grundsätzliche Tipp: Verständigt Euch nicht zu schnell mit dem*der Unfallgegner*in auf eine Weiterfahrt. Wartet den ersten Schockmoment ab und prüft in Ruhe, ob Euch etwas fehlt und ob es Schäden am Fahrrad gibt. In Schockzuständen wird das leicht übersehen und es kann sich durchaus lohnen, hartnäckig zu bleiben. Erst kürzlich erschlug ein PKW-Fahrer einen Fahrradfahrer in voller Fahrt mit der Autotür und wurde von einem Gericht vollumfänglich für schuldig erklärt.
Seid Ihr auch schon in eine Dooring-Situation geraten oder konntet sie vielleicht verhindern? Was wäre Eurer Ratschlag, um den Konflikt in der Stadt zwischen Autos und Fahrrädern aufzulösen?