Nation der Helm-Muffel? Sprunghafter Anstieg bei NL-Verkehrstoten

Die Zahl der Verkehrstoten in den Niederlanden ist im vergangenen Jahr um ein Viertel gestiegen, und zwar von 582 im Jahr 2021 auf 737 im Jahr 2022. Dies geht aus vorläufigen Zahlen hervor, die das niederländische Statistikamt Anfang dieses Monats veröffentlicht hat.
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15 Jahre nach hinten geworfen

In den vergangenen Jahren wurden in den Niederlanden mehr Radfahrende als Autofahrende getötet, was teilweise auf die relativ hohe Fahrradnutzung im Land zurückzuführen ist. Besorgniserregend ist jedoch der dramatische Anstieg von Todesfällen unter den älteren Radfahrern (75+) um 60 %. Im Jahr 2021 waren es 94 Todesfälle, die im letzten Jahr auf 150 anstiegen, was mehr als die Hälfte aller getöteten Radfahrer:innen ausmacht (291).

Zwar haben in den letzten Jahren mehr ältere Menschen in den Niederlanden mit dem Radfahren begonnen oder sind zum Radfahren zurückgekehrt, aber es ist nicht klar, warum die Zahl der Todesfälle im letzten Jahr so dramatisch angestiegen ist. Mittelfristig könnte die höhere Geschwindigkeit elektrisch unterstützter Fahrräder, die von älteren Fahrern bevorzugt werden, einen Teil des Anstiegs erklären. Ebenso erscheint die niederländische Fahrradkultur, in der Helme – selbst auf E-Bikes –eher die Ausnahme als die Norm sind, ein möglicher Faktor.

Über die letzten zehn Jahre betrachtet, zeigen die Zahlen zur Verkehrssicherheit keinen Abwärtstrend (mehr). Aber mit diesem starken Anstieg der Zahl der Verkehrstoten ist die Verkehrssicherheit tatsächlich um 14 bis 15 Jahre zurückgeworfen worden.

Martin Damen – Direktor SWOV

Helme reduzieren Risiko schwerer Kopfverletzungen um 60 %

Die niederländische Forschungsorganisation für Verkehrssicherheit (SWOV), hatte kürzlich einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass 57 % der Radfahrenden in Dänemark angeben, immer oder fast immer einen Helm zu tragen, während es in den Niederlanden lediglich 12 % sind. Interessant: Beide Länder weisen davon abgesehen eine vergleichbare Fahrradnutzung und Infrastruktur auf. Der Bericht befasst sich mit der Frage, wie niederländische Radfahrende zum Tragen von Helmen ermutigt werden könnten, und stellt fest, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem Sturz oder Unfall schwere und tödliche Kopf-/Gehirnverletzungen zu erleiden, bei Radfahrenden mit Helm um 60 % geringer ist als bei Radfahrenden ohne Helm.

Eine Koalition von Verkehrssicherheitsgruppen in den Niederlanden hat erhebliche Investitionen in die Durchsetzung der Vorschriften und die Fahrradsicherheit gefordert. Nach Ansicht des Fahrradverbands Fietserbond hat der Ausbau der Fahrradinfrastruktur, wie etwa baulich getrennte Radwege, in den letzten Jahren nicht mit dem Anstieg der Radfahrerzahlen Schritt gehalten.

Radfahren mit Helm – sinnvoll oder unpraktisch? Wie hältst du es mit dem Kopfschutz?

Infos: swov.nl – Titelbild Foto von Ivanna Vinnicsuk auf Unsplash

12 Kommentare

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  1. Meine Auffassung als Helm-Ja/aber ungern-Radfahrer:
    Ein Großteil (ca. 75%) der im Krankenhaus behandelten Radunfälle betrifft nicht den Kopf sondern die oberen und unteren Extremitäten (Hand/Arm, Schulter, Becken, Knie, Schenkel) (Uni Essen). Ich bin mir sicher, dass eine Tempo(Spaß)reduzierung um 1/3 mehr zur Unfall/Unfallfolgen-Verhütung beiträgt, als das Tragen eines Helms.

    Das stimmt ja alles, aber: Verletzungen des Skeletts sowie der Muskel und Bänder verheilen in der Regel ohne bleibende Schäden. Ein schweres Schädel-Hirntrauma bleibt u.U. lebenslang. Da habe ich absolut keine Lust drauf und fahre immer mit (MIPS)-Helm.
  2. ABER: Statistik ist Realität, während Methoden der Prävention oft genug individuell und strittig sind.
    Realität: Es geht in diesem Thread um tödliche Radunfälle in NL (und in D).
    Hier die Statistik: Radunfälle nach Alter
    Demnach: Von den 446 Todesfälle sind 78% in der Altersgruppe Ü55. Dies sind überwiegend nicht die Mountain- oder Rennradler mit hohem Spaßfaktor sondern Hobby oder Alltagsfahrer.
    In dieser Altersklasse sind Oberschenkelhalsbruch & Co sehr häufig, zum Teil auf Dauer lebenseinschränkend, falls es sehr ungünstig läuft auch tödlich. Ich bin inzwischen in dieser Altersgruppe und kenne im Bekanntenkreis mehrere solcher "Fälle".
    Eine gute Risikoaufklärung (insbesondere bei E-Bikes) wäre möglicherweise die bessere Prävention als nur das Werben und Verkaufen von Helmen.
    UND SELBSTVERSTÄNDLICH: Wer mit hohem Tempo und auf abenteuerlichen Wegen unterwegs ist, sollte einen guten Helm tragen.
  3. ABER: Statistik ist Realität
    Das würde ich so nicht unterschreiben.

    Realität ist es nur für den, der sie erstellt hat.

    Man kann mit Statistik Veränderungen gut belegen, aber eben nur, wenn die richtigen Parameter unter gleichen Bedingungen erhoben werden.

    Deswegen kann ein Vergleich der Radunfälle zwischen Holland und Deutschland einen Trend zeigen, aber da muss ein großes * dran, denn die Bedingungen für Verkehrsteilnehmer sind vollig unterschiedlich und damit nicht direkt vergleichbar.
  4. Altersgruppe Ü55
    Die fahren aber leider nicht nur Fahrrad sondern auch Auto. Dann gefährden sie die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen wie Radfahrende und zu Fußgehende. Deshalb bin ich ein klarer Befürworter einer regelmäßigen Kontrolle der Fähigkeit ein Kraftfahrzeug steuern zu können für alle Altersgruppen in einem Interval von 5 - 10 Jahren. In einigen EU-Ländern gibt es das schon. Und wenn es manchen Personen schon schwer fällt ein Kfz zu steuern, dann wundert es mich nicht, dass es beim Radfahren zu Unfällen kommt.
    BTW: Bin selbst 60 J. alt und in meinem Führerschein sind keine Sehhilfen eingetragen, obwohl ich schon seit über 25 J. beim Autofahren eine Brille trage.
  5. UND SELBSTVERSTÄNDLICH: Wer mit hohem Tempo und auf abenteuerlichen Wegen unterwegs ist, sollte einen guten Helm tragen.
    In der Gruppe ist die Helmquote schon über dem Durchschnitt. Das Gefährlichste beim Bergsteigen ist die Anfahrt auf der Straße - dürfte beim MTB kaum anders sein. Daher verstehe ich nicht, dass manche auf der Straße den Helm dann ausziehen.
Was meinst du?

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