WIP Wetterschutz fürdas Fahrrad im Test: Was tun, wenn im Herbst und Winter das Wetter kühl, nass und windig ist, man aber weiterhin draußen das Fahrrad nutzen will, weil es einfach schneller, gesünder und günstiger ist? Genau auf diese Herausforderung hat das Team von WIP Bike aus Konstanz am Bodensee eine Antwort. Der WIP Wetterschutz ist eine Frontscheibe fürs Fahrrad, die bei Regen und Kälte den nötigen Schutz bieten soll. Statt laut raschelnd in Regenkleidung entspannt und warm hinter der Scheibe in die Arbeit – so könnte man die Idee zusammenfassen. Wir haben die letzten zehn Wochen des Jahres genutzt, um den Test in der Praxis zu machen.
WIP Wetterschutz: Infos und Preise
Der WIP Wetterschutz für Fahrräder ist ein Produkt des Studios nubas, das Fahrradfahren attraktiver und komfortabler gestalten soll (Link zur ersten Vorstellung WIP Windschutzscheibe fürs Fahrrad). Konkret geht es darum, mehr gegen schlechtes Wetter zu bieten als nur gute Kleidung: Mit der Frontscheibe für den Fahrradlenker soll die ideale Lösung gefunden sein, um auch bei widrigen Witterungsbedingungen wie Regen, Wind oder Kälte komfortabel mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Die Windschutzscheibe fürs Fahrrad wird in zwei Farben angeboten und lässt sich innerhalb weniger Handgriffe an fest am Lenker verschraubten Lenkerhörnchen montieren. Gleichzeitig lässt sie sich am Sattel einhaken, so dass das Fahrrad trocken parken kann.
- Windschutzscheibe mit Regendach für die Montage am Fahrradlenker
- Kompaktes Faltmaß und Demontage des Regendachs möglich
- Gewicht: ca. 1000 g (Herstellerangabe)
- Farben: schwarz, weiß
- Preis: 249,00 €
- Website: WIP Wetterschutz
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Video: WIP Wetterschutz im Test – inkl. Leistungsmessung
Im Detail
Die Idee ist auf den ersten Blick so einfach wie ungewöhnlich: Wenn das Fahrrad eine Frontscheibe und ein Dach hat, dann verlieren Regen und Kälte ihren Schrecken. Erinnerungen an den BMW C1 werden wach … Und im Hinterkopf dämmert die Statistik, dass die Ausgesetztheit gegenüber Wind und Wetter eines der (rational begreifbaren) Hauptargumente gegen das Fahrrad sind.
Das Team von WIP Bike kommt aus Konstanz. Die Stadt ist mit ihrem dichten, grenzüberschreitenden Verkehr prädestiniert fürs Fahrradfahren und stellt mit Nebel und feuchter Kälte im Winter doch vor einige Herausforderungen, die erfinderisch machen. Ich kann das sagen, denn ich bin im (im Winter) wettertechnisch nicht viel freundlicheren Radolfzell am Bodensee aufgewachsen. Nun also eine schnell an- und abbaubare Frontscheibe fürs Fahrrad. Das muss ich ausprobieren und der erste Eindruck bestätigt: Einfache Ideen gut umgesetzt können überzeugen.
Der WIP Wetterschutz besteht aus zwei Teilen: Der Frontscheibe sowie der Regenverkleidung darüber. Beide können getrennt werden, so dass man bei gutem aber kalten Wetter auch nur mit der Frontscheibe allein unterwegs sein kann. Der Umbau erfolgt in wenigen Sekunden mit sechs Klettverschlüssen und zwei Gurtsteckern. Schon lässt sich der Regenschutz abnehmen, wobei auch die Folien links und rechts der Frontscheibe entfernt werden und das gesamte Produkt deutlich kompakter wird.
Die Frontscheibe selbst besteht aus einem steifen, kreisrunden Mittelstück, das unverzerrte Sicht nach vorne bieten soll. Die Bereiche außenrum sind aus einer klaren Folie gefertigt, die dafür sorgt, dass das gesamte System ähnlich einem Wurfzelt zusammengefaltet werden kann. Kleine Farbmarkierungen helfen dabei, beim Falten an den richtigen Stellen anzupacken. Wer möglichst faltenfreie Sicht haben möchte, sollte die Scheibe jedoch aufgefaltet lagern, damit sich die Folie glätten kann.
Nach unten ist die Frontscheibe weit bis unter den Lenker verlängert, so dass sie auch die Beine trocken halten soll. Die Rahmen der Scheibe fallen angenehm schmal aus, so dass die Sichtbeeinträchtigung überschaubar erscheint.
Praktisch: Wenn man die Frontscheibe nicht braucht, kann man sie relativ kompakt zusammenfalten und in der mitgelieferten Tasche am Lenker (bei kleinen Vorderrädern) oder am Gepäckträger / in der Packtasche verstauen. Für die dauerhafte Lagerung empfiehlt der Hersteller den ausgefalteten Zustand, um Knicke zu vermeiden.
Kompatibilität
Der WIP Wetterschutz wird an zwei Lenkerhörnchen befestigt, die am Lenkerende der meisten gängigen Touren-, Trekking- und City-Bike-Lenkern angeschraubt werden. Das System ist passend für Lenker zwischen 55 und 75 cm Breite. Bei relativ geraden Lenkern mit einer Kröpfung zwischen 0 und 30° wird das Lenkerhörnchen A verwendet, für Kröpfungen zwischen 30 und 55° gibt es das Hörnchen B. Die jeweilige Ausführung kann bei der Bestellung spezifiziert werden, optional ist ein zweiter Satz Hörnchen auch für 20 € als Zubehör verfügbar – zum Beispiel, wenn man den Wetterschutz an verschiedenen Bikes fahren will. Eine Verwendung an Rennradlenkern ist derzeit nicht offiziell möglich oder vorgesehen. Aber wir wollen niemanden vom Basteln abhalten.
Test & Praxis Erfahrungen WIP Fahrrad Frontscheibe
Welche Erfahrungen machen wir mit dem WIP Wetterschutz in der Praxis? Nun, nachdem der Oktober relativ trocken aber kühl war, legte der November dann mit intensiven Regentagen und nochmals niedrigeren Temperaturen nach. Beste Voraussetzungen, damit ich meine Eindrücke im Alltag beim Kindertransport und auf dem Weg zur Arbeit erhärten konnte. Insgesamt habe ich für den Test gut 500 km mit dem WIP Wetterschutz zurückgelegt – immer war es kalt und oft genug hat es geregnet.
Montage
Bevor es losgeht, muss die Windschutzscheibe fürs Fahrrad natürlich am Lenker befestigt werden. Wie das funktioniert, erklärt eine einfache, bebilderte Anleitung. Optional gibt es von WIP auch ein YouTube-Video zur Montage sowie zu passenden Griffen. Auf die kommt es nämlich an. In meinem Fall musste ich die Griffe wechseln, um links wie rechts 15 mm freie Lenkerenden zu haben. Hier werden schließlich die Lenkerhörnchen montiert. Abgesehen davon ging die Montage jedoch in weniger als fünf Minuten und denkbar einfach von der Hand: Lenkerhörnchen anschrauben, WIP Wetterschutz montieren. Dann mit der Schlaufe am Schaft oder oberen Ende der Gabel (Achtung bei Federgabeln!) sichern und in Fahrposition den Winkel der Frontscheibe so einstellen, dass es keinen Kopfkontakt gibt. Im Anschluss die Lenkerhörnchen festziehen und den kleinen Haken am Sattelgestell befestigen. Schon ist der Job erledigt.
Schutzwirkung
Der WIP Wetterschutz verspricht als Frontscheibe für das Fahrrad einen über 90-%-igen Schutz vor Regen. Das haben wir in den letzten Wochen regelmäßig auf die Probe stellen können und tatsächlich ist das Ergebnis insgesamt gut. Sobald man fährt, bleibt man am Oberkörper fast komplett trocken. Bei 740 mm Lenkerbreite wurde ich lediglich an den Armen etwas nass. Außerdem konnten immer wieder Regentropfen zwischen der Frontfläche und den Seitenteilen eintreten, da hier Lücken sind. Das könnte man für eine zweite Generation noch verbessern, indem diese Lücken zum Beispiel über Reiß- oder Klettverschlüsse geschlossen werden.
Da mein Testfahrrad mit steilem Sitzwinkel eine recht aufrechte Stellung der Scheibe erforderte, wurde ich im Stand an der Ampel leicht nass. Meine Kinder auf dem vorne montierten Sitz jedoch nicht. Das ist ein fairer Deal. Hat man eine aufrechtere Sitzposition, ist man auch im Stand weitestgehend abgedeckt. Und durch die verlängerte Frontscheibe bleiben auch die Beine bis knapp über den Knöcheln trocken. Entweder kann man hier also mit Neoprenüberschuhen die letzte Lücke schließen, oder aber man hat Schuhe, denen das bisschen Wasser nichts ausmacht. Und natürlich kommt es hier auch auf das Schutzblech an.
Praktisch: Über die Schlaufe, die sich an den Sattelstreben festmachen lässt, kann der Regenschutz im geparkten Zustand nach hinten geklappt und befestigt werden. So bleiben der Sattel und Teile des Bikes im Stand trocken. Zumindest dann, wenn es nicht windig ist.
Weitaus beeindruckender (und somit „sehr gut“) als der Regenschutz ist jedoch der Schutz vor Fahrtwind und damit vor Kälte. Bei 5° C ohne Handschuhe fahren? Im Pullover? Kein Problem. Nimmt man den Regenaufsatz ab, wird die Frontscheibe deutlich kompakter (und leiser), büßt jedoch nichts von ihrem Windschutz ein. Das sorgt dafür, dass die gefühlte Temperatur deutlich steigt und tatsächlich – mehr dazu im Video – ist es hinter der Scheibe spürbar wärmer. Das ist für Kinder genial, weil sie nicht im Fahrtwind „erfrieren“. Gleichzeitig muss man die Bekleidungsstrategie anpassen. Kein Fahrtwind bedeutet keine Kühlung, bedeutet Hitze. Weniger ist dann mehr und es entfällt das Problem der vollgeschwitzten Wind- und Regenjacken. Allerdings kann es am Rücken kalt werden. Rucksack? Ja bitte!
Netter Nebeneffekt: Wer sich wie ich gerne beim Mit-dem-Fahrrad-zur-Arbeit-Pendeln schon in die erste Telefonkonferenz einwählt, der tut seinen Kolleginnen und Kollegen einen echten Gefallen – der Ton ist rauschfrei!
Verpasste Chance: Im Sinne der Verkehrssicherheit wäre es eine dankbare Sache, wenn der WIP Wetterschutz mit reflektierenden Elementen ausgestattet wäre. Er ragt hoch auf und reflektierende Elemente würden so definitiv der Sichtbarkeit im Straßenverkehr zuträglich sein. Insbesondere bei den schlechten Witterungsbedingungen, für die er ja primär gestaltet worden ist.
Fahrverhalten
Welchen Einfluss hat der WIP Wetterschutz auf das Fahrverhalten? Die Sicht nach vorne und unten ist soweit gut, wobei der Rahmen natürlich trotzdem das Sichtfeld ein wenig einschränkt. Der runde Teil der Scheibe ist verzerrungsfrei und klar, womit der Großteil aller Blickrichtungen uneingeschränkt ist. Kleine Verzerrungen kann es in der Folie außenrum und an den Seiten geben. Diese sind jedoch nicht weiter störend. Tatsächlich begrenzt ist dann die Sicht nach schräg oben (links und rechts), da hier der Bereich des Regenschutzes beginnt, der nicht mehr durchsichtig ist. In der Praxis ist das jedoch lediglich an Ampeln ein Thema.
Beim ersten Losrollen fällt auf, dass die straff gespannten Scheibenflächen auf schlechten Untergründen eine etwas eigene Akustik erzeugen – ähnlich einem Segel beim Surfen. Das ist nicht weiter tragisch, aber etwas, an das man sich gegebenenfalls gewöhnen muss. Abgesehen davon steigt leicht die Seitenwindanfälligkeit und es wirken insgesamt mehr und höhere Kräfte am Lenker. Entsprechend weniger fährt man freihändig. Und im Stehen kann man eigentlich auch kaum fahren, denn dann stößt man vorne an die Scheibe – ob mit Regenverlängerung, oder ohne. Und bei Gegenwind? Nun, dafür muss ich kurz ausholen.
Bei der Vorstellung des WIP Wetterschutzes haben sich einige von euch (und auch wir in der Redaktion) gefragt, wie groß wohl der zusätzliche Luftwiderstand ausfällt. Der Hersteller sagt: Nicht signifikant höher, weil cw besser wird aber A schlechter. Und der zusätzliche Widerstand ist ja cw x A. Und was sagt die Praxis? Das habe ich testweise an meinem privaten Orbea Oiz XC-Race-Bike ausprobiert (Test des Orbea Oiz 2023 auf MTB-News.de). Warum genau da? Nun … An diesem Rad habe ich einen Leistungsmesser und kann entsprechend messen, was sich sonst nur fühlen lässt. Echte Bro-Science für euch. Also: eine Teststrecke von 230 m definiert. Hin- und Rückweg im immer gleichen Gang, um Einflüsse von Wind ausschließen zu können. Fliegender Start und konstant 28 km/h oder eher 90 Umdrehungen pro Minute. Auswertung über den GPS-Tacho. Dann drei Fahrten: ohne WIP Wetterschutz, nur mit Frontscheibe und dann mit Frontscheibe inklusive der Dachverlängerung. Das Ergebnis:
Die niedrigste erforderliche Leistung hatte ich, wie zu erwarten war, ohne den WIP Wetterschutz mit gemittelten 112,5 W. Nur die Frontscheibe führt mit gemittelten 150 W zu 33 % mehr benötigter Leistung. Und das komplette Setup mit Regenschutz? Hier ergaben sich 143 W oder ein Anstieg von 27 %. Der Wind- und Regenschutz kombiniert erhöht die Leistung also weniger stark als nur der Windschutz? Klingt nicht intuitiv? Doch, denn es ist unschwer zu erkennen, dass mit den Seitenverkleidungen der Wind besser geführt wird und weniger stark vor der Brust verwirbelt. Cw ist demnach so viel besser, dass die zusätzliche Stirnfläche ausgeglichen wird. Aber genug der Bro-Science … Fakt ist: Der Wetterschutz braucht spürbar mehr Leistung zum Erreichen der gleichen Endgeschwindigkeit.
Die Prise Salz: Natürlich gelten meine Messwerte nur für mein Setup und die gewählte Geschwindigkeit. Wer langsamer fährt, hat auch weniger zusätzlichen Luftwiderstand. Wer aufrechter sitzt und einen höheren Lenker hat und kleiner ist, wird sehr wahrscheinlich einen weniger stark erhöhten Luftwiderstand haben, weil das WIP weiter nach hinten geneigt ist. Mein Testszenario dürfte eines der ungünstigsten Szenarien abdecken. Die Erkenntnis: Der zusätzliche Luftwiderstand ist messbar. Bei trockenen und nicht zu kalten Bedingungen wird man also tendenziell am besten ohne den WIP Wetterschutz fahren. Doch genau dafür ist er ja auch nicht entwickelt und lässt sich entsprechend schnell abnehmen. Also alles kein Problem. Und für die Wissenschaftsfans: Das Thema mit cw und A ist insofern bestätigt, als nur die Scheibe mehr Leistung erfordert als das komplette Set. Würde man von außen betrachtet so nicht unbedingt erwarten, wird aber durchaus logisch, wenn man den Effekt der Luftführung über den Helm und an den Seiten bedenkt. Spannend!
Ganz ungeachtet aller Messwerte steht fest: Bei Gegenwind fühlt sich der WIP Wetterschutz ungewohnt an. Bei starkem Wind würde ich ihn insgesamt nicht empfehlen, da er dann gegen den Helm gedrückt wird und sich unangenehm anfühlt (außer auf der Kurzstrecke vielleicht). Dadurch, dass ihr den Wind jedoch nicht am Körper spürt, ist die Wahrnehmung in etwa so, als ob ihr mit (stark) schleifender Bremse fahrt. Das Rad „will“ einfach nicht vorwärts. Nüchtern betrachtet sagen die Zahlen, dass das stark übertrieben ist – aber man muss sich daran gewöhnen. Spätestens dann, wenn der Wind auch Regen mit sich gebracht hat, habe ich das jedoch gerne in Kauf genommen. Es kommt also wirklich drauf an.
Fazit – WIP Wetterschutz
Wir Deutschen sagen gerne: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Klamotten.“ An dem Spruch ist einiges dran, doch wenn es im Regen ins Büro oder bei Kälte mit dem Kind auf dem Rad zum Kindergarten geht, ist die Aussage wenig hilfreich. So gesehen kann der WIP Wetterschutz – eine am Lenker montierte Frontscheibe fürs Fahrrad – voll überzeugen. Er hält Regen, vor allem aber auch Wind und damit Kälte zuverlässig von den großen und kleinen Passagieren fern und steigert so den Komfort beim Pendeln oder Kinder-durch-die-Gegend-Fahren deutlich. Man bleibt weitestgehend trocken und kann sich einige Lagen dünner anziehen. Kinder auf dem vorderen Sitz haben nicht das Gefühl, zu erfrieren. Mission erfüllt.
Im Detail gibt es noch Verbesserungspotential, doch der erste Wurf ist insoweit stimmig, als dass er sich leicht montieren und handhaben lässt und in der Praxis das tut, was er soll. Der Preis ist gefühlt hoch, in Hinblick auf die zu erwartende geringe Stückzahl und die Bespielung des Händlervertriebs aber vertretbar. So machte die Qualität unseres frühen Musters einen soliden Eindruck und der WIP Wetterschutz leistete sich im Testzeitraum von 8 Wochen keine Schwächen.
WIP Wetterschutz – Pro / Contra
Stärken
- Sehr guter Schutz vor Kälte und Fahrtwind
- Guter Schutz vor Regen
- Einfache Montage
- Geringes Gewicht und kompaktes Packmaß
Schwächen
- Etwas gewöhnungsbedürftige Akustik bei Schlaglöchern und schlechten Strecken
- Eingeschränkte Anpassbarkeit für sportliche Sitzpositionen (steiler Sitzwinkel, flacher Lenker) und kein Fahren im Stehen möglich
- Kein Scheibenwischer ;)
Windschutzscheibe fürs Fahrrad – etwas, das ihr ausprobieren würdet?
Text: Tobias Stahl | Bilder: Tobias Stahl, Hannah Szwarc